Ich benenne, was gerade da ist
Müdigkeit, die auf meine Stirn drückt. Die auf meine Augenbrauen drückt, auf meine Augen, auf meine Unterlippe. Die mürrisch drückt auf mein Kinn, das all das halten muss.
Eine Ungeduld hinter meiner Stirn und meinen Augen.
Eine Unruhe in meinen Gliedern — mir ist danach, etwas mit den Händen oder Ellenbogen wegzustoßen.
Aufruhr in meiner Gedankenwelt. Eine diffuse Wut, die düstere Gedanken kochen will. Doch ich bremse sie. Sachte, sachte, ich bin auch noch hier, und ich will fühlen, nicht streiten.
Um dem Druck im Kopf entgegenzuwirken, wasche ich meine fettig gewordenen Haare. Ich genieße die Wärme des Wassers auf der Kopfhaut, stelle mir das Feuer vor, das hinter dem erhitzten Wasser steht. Ja, Feuer, das spüre ich heute! Ich möchte das Feuer ohne den Ruß — ohne die Reaktion auf die alles verzehrende Hitze. Du bist mir willkommen, Feuer. Ich lasse dich lodern, ohne mich an dir zu verbrennen.
Am Schreibtisch sitzend, flackert die Unlust wieder auf. Mein Kopf fühlt sich schwer an, ganz verknotet vor Widerwillen. Es gibt Aufgaben, aber ich will nicht. Ich will, aber die Flamme ist zu weit aufgedreht. Was ich kochen will, wird ungenießbar werden.
Ich warte. Spüre, fühle. Lege den verknoteten Kopf in die warmen Hände.
Ich kann so nicht. Ich will und ich kann so nicht, denke ich immer wieder.
Gut, antworte ich. Denn erst sammeln wir uns. Zuerst: Aufmerksamkeit. Wie sieht sie heute aus vor dem inneren Auge?
Ich warte und sehe mit geschlossenen Augen einen Lichtstrahl. Ich lasse ihn von weit oben auf meinen Kopf, in meinen Kopf hinein fließen. Das Licht meiner Aufmerksamkeit lasse ich wie einen gold-weißen, tanzenden Strahl von innen meine Augenbrauen umspülen. Meine Augenhöhlen. Jede Lücke in meinem Kopf.
Ich benenne, was gerade da ist.
Meine Augenbrauen lockern sich. Die strahlende Aufmerksamkeit genügt. Es reicht, dass ich mir diese Aufmerksamkeit schenke — unter ihrem Fließen löst sich mein Kopfknoten. Ich darf, ich muss gar nicht. Das, was ich heute will, ist nicht wichtiger als ich, nicht größer.
Ich schicke meine Aufmerksamkeit hinunter bis in die Beine. Spüre wo es ziept, wo es summt, wo es wackelt. Was sich vorher verstreut gefühlt hat, kommt zu mir zurück. Meine verstreuten Teile — Muskeln, Knöchel, Anspannung, Angst — sammle ich wieder ein. Mehr und mehr sitze ich ganz. Gesammelt, gefunden, gesehen. Gehalten, geliebt, gesagt. Genau jetzt. Ich bin hier.
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